kärntner Herzogstuhl

Die Grafschaft Kärnten (Karantanien) wurde von Kaiser Otto II. im Jahre 976 zu einem Amtsherzogtum erhoben. Vertraute des Kaisers stiegen mit dem Amt in einen fürstlichen Rang auf. Sie haben Kärnten in den Anfängen kaum betreten. Unweit des „Domes“ von Maria Saal und der Karnburg errichtete man unter freiem Himmel einen steinernen Thron. Der einfache Quader mit Sitzmulde (später Westsitz) besteht aus Konglomeratgestein. Er symbolisierte die Anwesenheit des Herzogs.

Als die Habsburger 400 Jahre später (um 1360) danach strebten, zu Erzherzögen aufzusteigen, erinnerte Rudolf IV. („der Stifter“) auch an die historische Bedeutung Kärntens. Deshalb ließ er zum einen den Kärntner Fürstenstein in Karnburg „herausputzen“ und zum anderen dem Herzogstuhl einen mächtigen Thron hinzufügen (Ostsitz). Die Marmorblöcke stammen aus der nahen Römerstadt Virunum. Als Sitzfläche fand in Anspielung an den Fürstenstein das Kapitell einer mittelalterlichen Säule Verwendung. Das machte die Zusammengehörigkeit der beiden Denkmäler sichtbar. Die Inschrift auf der Rückenlehne nennt Herzog Rudolf (RVDOLFVS DVX). Fünfzig Jahre später (1414) fand die Zeremonie am Fürstenstein zum letzten Mal statt, 1651 jene am Herzogstuhl. Der Herzogstuhl wurde zum historischen Denkmal und erhielt 1834 zum Schutz ein eisernes Gitter.

Am Herzogstuhl fand die Huldigung an den neuen Landesfürsten statt, einschließlich der Eidleistung des Adels. Der Herzog bestätigte die Rechte und Freiheiten des Landes. Außerdem vergab er die erblichen Nutzungsrechte an Grundstücken und Bauten auf Basis gegenseitiger Treue (Lehen) aufs Neue. Zur Zeremonie gehörten auch eine feierliche Messe in der Kirche von Maria Saal und das Ritual am Kärntner Fürstenstein in Karnburg. Am ursprünglichen Herzogstuhl (Westsitz) vergab nach 1360 der Pfalzgraf seine Lehen.

Im Bewusstsein der Kärntner Bevölkerung beider Volksgruppen haben Fürstenstein und Herzogstuhl bis heute eine identitätsstiftende Rolle.

Kärntens Aufstieg zum Herzogtum
Kaiser Otto II. hat Kärnten (Karantanien) im Jahre 976 vom Herzogtum Bayern getrennt und zu einem eigenständigen Herzogtum erhoben. Es war erst das sechste im ganzen Reich neben Bayern, Schwaben, Franken, Sachsen und Lothringen. Dadurch sollte die Macht Bayerns geschmälert werden. Zugleich wurde Kärnten im Süden und Osten der Grenzraum (Marken) von Verona bis nach Istrien und Slfowenien sowie angrenzende Gebiete der heutigen Steiermark verwaltungsmäßig angegliedert. Diese Bindungen lösten sich allerdings nach und nach auf.

Als Titel- bzw. Amtsherzogtum diente Kärnten dem Kaiser zur Belehnung von Vertrauten mit dem fürstlichen Rang eines Herzogs. Der Herzog (dux) war ursprünglich ein germanischer Heerführer. In karolingischer Zeit wurde die Herzogswürde als Lehen an einen Stellvertreter des Königs in einem bestimmten Stammesgebiet vergeben, das auch entzogen werden konnte. Männer aus bestem Hause stiegen zu Herzögen von Kärnten auf. Aber es kam zu keiner Dynastiebildung im Land. Die „fremden“ Herzöge verfügten in Kärnten zum einen über wenig Besitz. Zum anderen haben sie das Land in der Frühzeit mitunter nicht einmal betreten. Im wichtigen Passland nach Südosten sollte aus königlicher Sicht kein Machtgebilde entstehen.

Selbst die aus Bayern stammenden Eppensteiner (1077–1122) konnten in Kärnten kein starkes Landesfürstentum einrichten. Das trifft ähnlich auf deren, aus dem rheinfränkischen Raum stammenden Nachfolger zu, die Spanheimer (1122–1269). Beiden standen die Bistümer Salzburg und Bamberg sowie einer Reihe von Grafen mit großen Besitzungen quer durchs Land gegenüber. Die Spanheimer konnten schließlich die Erblichkeit der Herzogswürde durchsetzen. Sie richteten in St. Veit/Glan eine Residenzstadt ein.

Der Westsitz und die Anfänge
Weil das Amtsherzogtum über keinen Dynastensitz in Form einer Burg verfügte, entschloss man sich, als Symbol für das Zentrum im Nahbereich des bestehenden geistlichen und des einstigen weltlichen Zentrums Karantaniens – des „Domes“ von Maria Saal und der Karnburg – einen steinernen Thron unter freiem Himmel zu errichten, den Herzogstuhl. Auch ein leerer Thron versinnbildlichte die Anwesenheit des Herrschers, findet heute Analogien in ausgelagerten Firmensitzen oder Briefkastenfirmen. Ursprünglich hatte der Herzogstuhl die Form eines Quaders mit eingetiefter Sitzmulde (althochdeutsch: gesidel; heute „Westsitz“).

Die älteste urkundliche Überlieferung stammt aus dem Jahre 1161 und betrifft die Einsetzung Herzog Hermanns von Spanheim (in sedem Karinthani ducatus inthronizavi) durch den kaiserlichen Notar Burkhard aus Köln im Beisein des Patriarchen von Aquileia, des Erzbischofs von Salzburg und zahlreicher anderer Fürsten. Die umfangreichste Schilderung des Rituals an Fürstenstein und Herzogstuhl verfasste Abt Johann von Viktring, ein prominenter Kärntner Geschichtsschreiber des 14. Jahrhunderts. Er berichtet von der Einsetzung Herzog Meinhards von Görz-Tirol am 1. September 1286 „nach der seit alten Zeiten bewahrten Gewohnheit“.

Der Ostsitz als Thron
1335 gelangte Kärnten mit dem Aussterben der Grafen von Görz-Tirol an die Habsburger und wurde mit Österreich, Steiermark und Krain vereint, die spätere „Herrschaft Österreich“. Als die Habsburger unter Rudolf IV. „dem Stifter“ bald darauf danach strebten, zu Erzherzögen aufzusteigen und so den Kurfürsten im Reich gleichgestellt zu werden, führten sie unter anderem die historische Bedeutung Kärntens ins Treffen. Rudolf IV. ließ deshalb auch den Fürstenstein „herausputzen“ und dem altehrwürdigen Herzogstuhl einen beeindruckenden Thron hinzufügen.

Der neue Thron wurde aus Marmorblöcken errichtet, die in den Ruinen der nahen Römerstadt Virunum verfügbar waren. Als Sitzfläche fand in Anspielung an den Fürstenstein das Kapitell einer mittelalterlichen Säule aus weißem Marmor Verwendung. Fürstenstein und Herzogstuhl erschienen nunmehr als „Zwillingspaar“. Die Inschrift auf der Rückenlehne nennt Herzog Rudolf IV. (RVDOLFVS DVX). Der pompöse Thron („Ostsitz“) wurde also um 1360 errichtet. Der alte Herzogstuhl („Westsitz“) diente nunmehr dem Pfalzgrafen als Sitz. Diese überragten die anderen Grafen im Land und hatten die Interessen und Rechte des Königs innerhalb eines Herzogtums zu sichern. Urkundlich erscheint der Herzogstuhl 1414 erstmals als Doppelthron.

Der verlassene Thron
Die Zeremonie an Fürstenstein und Herzogstuhl wurde bei der Amtseinführung Herzog Ernsts „des Eisernen“ am 18. März 1414 letztmals vollzogen, von da an bis 1597 nur noch in eingeschränkter Form. Ernsts Sohn Friedrich ersuchte die Kärntner Landstände, ihn „um der königlichen Würde willen“ von der Zeremonie der Herzogseinsetzung zu befreien und sich mit einer Erbhuldigung in St. Veit zu begnügen. Die Zeiten hatten sich geändert.

Bis 1651 ließen sich die Herzöge durch landesfürstliche Kommissäre vertreten. Danach wurde die Zeremonie ins Landhaus nach Klagenfurt verlegt, wo das Ritual 1728 letztmalig stattfand. Der Herzogstuhl war zum historischen Denkmal geworden und erhielt 1834 ein eisernes Gitter mit Lanzenzier, angefertigt vom Klagenfurter Schlossermeister Ignaz Grindl. Ende des 20. Jahrhunderts wurde zum Schutz vor Witterungseinflüssen zusätzlich eine gläserne Einhausung errichtet.

Das Ritual am Herzogstuhl
Am Herzogstuhl fand die Huldigung an den neuen Landesfürsten statt, zudem die Eidleistung des Adels und die Bestätigung der Rechte und Freiheiten des Landes. Außerdem erfolgten die Bestätigung und Neuvergabe der herzoglichen Lehen (= „Leihgaben“), der erblichen Nutzungsrechte an Grundstücken und Bauten auf Basis gegenseitiger Treue. Zur Zeremonie gehörten auch eine feierliche Messe in der Kirche von Maria Saal und das „urtümliche“ Ritual am Kärntner Fürstenstein. Am ursprünglichen Herzogstuhl („Westsitz“) vergab der Pfalzgraf ab 1360 seine Lehen.

Die namengebende Wirkung des Herzogstuhls
Der Name des Zollfelds wie auch jener von Maria Saal leitet sich vom Herzogstuhl (lateinisch: solium) her. Mit einer Zollstation hat er nichts zu tun. Das Zollfeld versteht sich im Sinne von althochdeutsch „Feld“ als Landschaftsbezeichnung um den Herzogstuhl. Maria Saal erscheint in alten Urkunden als Maria in Zoll, Maria in/de/ad Solio bzw. auf deusch als Maria im/am Saale. Im Frühmittelalter hatte der Ort noch nach der Karnburg geheißen: Sancta Maria ad Carantanam („St. Maria bei der Karnburg“). Nach dem Auflassen der Burg um die Jahrtausendwende bot sich mit dem Herzogstuhl ein neuer, wiederum prominenter und zudem näher gelegener Bezugspunkt für die Benennung der Siedlung an, die um 750 an der von den Salzburger Bischöfen gegründeten Marienkirche entstanden war: Maria ad Solio bzw. „Maria am [herzoglichen] Thron“.

Spuren des Nationalismus am Herzogstuhl
Seit dem 19. Jahrhundert wurden auch wiederholt Vorstellungen des Nationalismus auf den Herzogstuhl projeziert. Dabei sahen sowohl die deutschsprachige wie auch die slowenischsprachige Volksgruppe den in Wirklichkeit jüngeren, pompösen Ostsitz als ursprünglichen Thron an und setzten dessen Errichtung in der Zeit vor der Gründung des Herzogtums an. Die einen tendierten zu einer Verknüpfung mit Arnulf von Kärnten, dessen Mythos als gebürtiger Kärntner noch heute in Moosburg alljährlich zelebriert wird. Die anderen suggerierten, dass am Herzogstuhl bereits im 7./8. Jahrhundert die slawischen Fürsten eingesetzt worden wären. Beides trifft nicht zu.

In diesem Zusammenhang erfuhr die römische Grabinschrift auf einer der Spolien des Ostsitzes im 19. Jahrhundert einen Eingriff. Durch das Einfügen von Punkten wurde aus lateinisch MASVETI VERI slowenisch MA.SVETI.VERI im Sinne von „er hat den rechten Glauben.“ Das erklärt sich als eine Anspielung auf die Zeremonie am Kärntner Fürstenstein, wo auch nach dem rechten Glauben des Fürsten gefragt wurde. Doch besteht kein Zweifel, dass die Inschrift aus römischer Zeit stammt und im erhaltenen Teil – wie bei Grabinschriften üblich – Personennamen im Genetiv nennt, in diesem Fall: Ma(n)suetus und Verus (übersetzt: [Sohn/Tochter] des Mansuetus Verus) bzw. an einem anderen Fragment noch einmal [Sohn/Tochter] des Verus.

Weiterführende Litertaur
ALFRED OGRIS, 976: Karantanien wird Reichsherzogtum. In: DERS., Auf Spurensuche in Kärntens Geschichte. Diskussionen und Kontroversen. Das Kärntner Landesarchiv 39 (Klagenfurt 2011), S. 13–36.

ALFRED OGRIS, Fürstenstein und Herzogstuhl – Symbole der Kärntner Landesgeschichte im Widerstreit ethnischer und territorialer Tendenzen in der slowenischen Geschichtsschreibung, Publizistik und Politik. In: DERS., Auf Spurensuche in Kärntens Geschichte. Diskussionen und Kontroversen. Das Kärntner Landesarchiv 39 (Klagenfurt 2011), S. 410–444.

PAUL GLEIRSCHER, Karantanien – Slawisches Fürstentum und bairische Grafschaft (Klagenfurt 2018).

HEINZ-DIETER POHL, Kärnten / Koroška. 1000 Jahre gemeinsames slowenisches und deutsches Namengut (Klagenfurt 2020).


Kärntner Herzogstuhl, Foto: M. Resztej, LMK

STANDORT

Kärntner Herzogstuhl

9063 Maria Saal, Zollfeld

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